Relevanz vs. Toleranz

Bleibt bei der ganzen Relevanz die Toleranz auf der Strecke?

Zugegebenermaßen ist eine solche Fragestellung nicht zwingend typisch für die Arbeit einer Kommunikationsagentur, sind Werber doch schon seit jeher eher diejenigen, die versuchen, Konsumenten durch gezielte Informationen bewusst zu lenken, und nicht zwingend diejenigen, die sich über gesellschaftspolitische Auswirkungen ihrer Arbeit Gedanken machen. Dennoch möchte ich meine grundsätzlichen Überlegungen hier zu Papier bringen. Lassen Sie mich dazu etwas ausholen.


Von Kassettenjunkies und Radiofetischisten

In meiner Jugend gab es unter Gleichaltrigen zwei Arten von Autofahrern. Die einen, die beim Fahren grundsätzlich und fast schon militant nur ihre Kassetten akzeptierten, und die anderen, die sich vom Radio mit allem möglichen berieseln ließen. Die Kassettenfans wollten ausschließlich hören, was sie kannten, was für sie relevant war. So vermieden sie es, ihre Zeit mit Musik verbringen zu müssen, die ihnen nicht gefiel. Die Radiofreunde waren da anspruchsloser; sie konnten oder wollten sich auf viele verschiedene Angebote einlassen. Einerseits mussten sie so durchaus Lieder ertragen, die sie nicht mochten. Andererseits hatten sie die Chance, auch einmal etwas Neues zu entdecken.

Heute könnte dieses Bild fast schon als Generationenbeschreibung für die Mediennutzung dienen. Es gibt die „Alten“, die sich aus unterschiedlichen Gründen vor den Fernseher setzen und anschauen, was geboten wird. Und es gibt die „Jungen“, die Bewegtbild „on demand“ konsumieren und sich ihr Programm im Internet selbst zusammenstellen. „Alt“ und „Jung“ ist als Klassifizierung wahrscheinlich nicht ganz korrekt, was aber für die weitere Betrachtung auch nicht wichtig ist.


Und was hat das Ganze jetzt mit Relevanz oder gar mit Toleranz zu tun?

Wenn es heute um effiziente Kommunikation geht, steht das Thema Rele-vanz nicht nur bei uns an erster Stelle. Das heißt, wir wollen immer genau das platzieren, was für unsere Zielgruppen wirklich von Interesse – sprich relevant – ist. Dafür versuchen wir, die Kunden, ihre Vorlieben, ihre Wünsche und ihre Bedürfnisse immer noch ein bisschen besser kennenzulernen. Wir sammeln Daten, wo immer es möglich ist, erstellen Profile und machen jeden einzelnen Menschen zur transparenten Buyer Persona, um unsere Informationen möglichst ohne Streuverlust platzieren zu können. Sind wir selbst – im umgekehrten Fall – diese „Persona“, ahnen wir häufig nur, dass vieles, was wir auf unterschiedlichen Kanälen kredenzt bekommen, lediglich wegen der gesammelten Daten für uns ausgesucht wurde. 


Da die Automatisierung dahinter noch nicht ganz so intelligent ist wie manche behaupten, führen diese Bemühungen zuweilen dazu, dass wir noch Wochen nach einem Internetkauf eben diese gekaufte Ware wieder und wieder angeboten bekommen. Wenn Sie einmal versuchen, den Verlauf und den Cache Ihres Computers zu löschen, werden Sie feststellen, wie anders die Angebote in den Bannern der Website ohne diese über Sie gespeicherten Informationen plötzlich sind. Aber nicht nur das Internet „denkt“ ungefragt für uns. Auch gedruckte Werbemedien sind in vielen Fällen automatisierte Reaktionen auf von uns getätigte On- oder Offline-Aktivitäten.



Keine Technologie dieser Welt nimmt uns das Denken ab!
Freunde und Befürworter dieser Technologien – vielleicht die früheren militanten Kassettenjunkies – werden jetzt argumentieren, dass wir durch die gezielte, automatisierte Auswahl weniger für uns uninteressante und irrelevante Informationen bekommen und unser Leben so einfacher und angenehmer wird. Die Kritiker – um im Bild zu bleiben: die Radiohörer – werden allerdings bemängeln, dass uns eine gezielte Verengung und Vorauswahl der Informationen unfrei und beeinflussbar macht. Toleranz gegenüber Neuem und Unbekanntem wird nicht mehr gebraucht. Wir werden weder die Zeit noch die Internetautomatismen zurückdrehen können, daher ist eine grundsätzliche Diskussion über Sinn und Unsinn dieser Technologien müßig. Allerdings sollten wir uns ihrer Funktionsweisen bewusst sein, um sie nutzbringend einsetzen zu können.


Denn, um auf die Themen Relevanz und Toleranz zurückzukommen, eine aus meiner Sicht nicht zu unterschätzende Gefahr dieser Relevanz-Fokussierung ist, dass man sich blind auf die für einen getroffene Auswahl verlässt und sich keine Zeit und Mühe mehr macht, sich eine eigene Meinung zu bilden. Ohne eine eigene, fundierte Meinung ist „In“-Toleranz allerdings aus meiner Sicht programmiert, der Mensch wird unmündig, den Populisten und Stammtisch-Schwadronierern ist Tür und Tor geöffnet. Nicht erst seit den Präsidentschaftswahlkämpfen in den USA sollte jedem bewusst sein, dass gezielt platzierte, teilweise auch bewusst falsche Informationen ganze Völker beeinflussen können. Den Verbraucher in seinen Meinungen und Kaufentscheidungen zu manipulieren, ist mittlerweile Ziel einer ganzen Branche. Dass dabei nicht jeder seiner Verantwortung gerecht wird, liegt in der Natur der Sache.


Radio vs. Kassette

Zurück zum Bild. Wenn wir bewusst entscheiden können, wann Marketer für uns vorauswählen und wie wir das breite Spektrum des Internets als Informationsquelle für und nicht gegen uns einsetzen können, spricht nichts gegen „relevante“ Informationen. Wenn wir aber merken, dass uns Dritte das Denken und Entscheiden abnehmen möchten, müssen wir reagieren, um unsere Entscheidungshoheit nicht zu verlieren. Dazu müssen wir uns unseren kritischen Blick bewahren und nicht gedankenlos der Herde hinterherlaufen. Ohne Mitdenken funktioniert das Leben also auch heute nicht – hat ja aber auch keiner gesagt, dass es einfacher wird.


Und wie geht jetzt ein Werber wie ich mit dieser Erkenntnis um? Zum einen müssen wir als Kommunikationsexperten ehrliche und authentische Botschaften senden – das hat nicht nur etwas mit Verantwortung und Respekt zu tun, sondern gerade in unserem Bereich, der B2B Kommunikation, auch mit Erfolg. Denn Kunden erkennen ganz schnell, wenn man ihnen Quatsch erzählen möchte und kommen dann nicht wieder. Zudem müssen wir offen legen, wann wir wie welche Daten sammeln und was wir damit tun. Hier ist Transparenz das Motto der Stunde, denn nur wenn ich als Verbraucher oder Kunde weiß, wann jemand meine Daten sammeln möchte und mir ohne Umschweife erklärt, was er damit will, kann ich mich bewusst dafür oder dagegen entscheiden.

Nach so viel schwerer Kost empfehle ich jetzt den Konsum einer Stunde leichter Radiounterhaltung oder alternativ, wenn Sie diese Musik wirklich nicht aushalten, die Berieselung mit einer Ihrer alten Kassetten. Headbangen aber nicht vergessen.

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